Entnommen der Festschrift 1000 Jahre Ockfen 1975:
 
 

Das Tagebuch des Pfarrers von Ockfen ....






Über den Kampf um Ockfen wurde dem Verfasser ein Erlebnisbericht des damaligen Ockfener Pfarrers, niedergeschrieben in der Ortschronik von Ockfen zur Verfügung gestellt.
 
 

..Die Nacht von Donnerstag auf Freitag ließ sich wenig erfreulich an. Ockfen lag ständig unter dem amerikanischen Feuer. Wir buchen die ersten Einschläge in Kirche und Pfarrhaus. Meine Schwester und ich haben Gesellschaft bekommen: Der alte Dahm, "Hirten-Pap" taucht plötzlich auf. Erst wollen wir ihm nicht aufmachen, weil wir glauben, dass es Militär oder SS sei, die uns aus dem Keller holen wollen. Dann erkenne ich ihn am "Knurren". Wir lassen ihn ein. Er liegt auf dem Bett, solange wir den Rosenkranz beten.

Nachdem wir am Tag vorher ein Bett und einen Liegestuhl im Keller aufgestellt haben, ebenso ein Öfchen, wäre es auszuhalten, wenn nicht die Granaten dauernd einschlagen würden. Neben dem rechten Chorfenster hat eine Granate die Außenmauer der Kirche durchgeschlagen. Der Fensterstein zertrümmert das Podium des Altars und reißt eine Ecke des Altartisches mit. Es kracht als ob die Kirche zusammengefallen sei. Ich renne aus dem Keller und bin beruhigt als ich sehe, dass die Kirche noch steht. Auch das Pfarrhaus hat schon mehrere Einschläge im Dach. Eine Granate durchschlägt die Außenwand im großen Wohnzimmer und zertrümmert das ganze Mobilar. Das Haus erzittert als wollte es zusammen fallen. Unaufhörlich krachen die Einschläge. Die Mauersteine rollen die Treppe herab. Es ist ein Gefühl, als würde das Haus abgerissen. Noch einmal gehe ich gegen 4 Uhr zur Kirche als ein gewaltiges Krachen nichts Gutes ahnen lässt. Das Dach über dem Chorraum ist nach der Dorfseite hin fast ganz weggeschossen. Gegen Morgen wird es Gott sei Dank etwas ruhiger. Als es hell wird, wagen wir uns schüchtern vor. Herr Nikolaus Wagner und Familie wollten noch herauf zur Messe kommen, weil dieselbe für seinen Schwager Franz Karges gelesen werden sollte. Wagners kommen aber nicht. Meine Schwester läuft in einer ruhigen Minute hinunter und hört dort, dass die Amerikaner seit 6 Uhr morgens schon in den ersten Häusern sitzen. In dir Nacht sind sie zwischen Ockfen und Schoden unterhalb des Bismarkturmes übergesetzt, haben die Bunker genommen und sitzen nun teilweise seit einigen Stunden in Ockfen ohne dass wir eine Ahnung hatten. Meine Schwester ruft von Wagners herauf, sie könne nicht zurückkommen. Gerade will ich auch hinunter laufen, da kommt sie atemlos an. Wagners Keller ist überfüllt. Etwa 15 Soldaten wollen dort ihre Gefangennahme erwarten. So bleiben wir wo wir sind. Frau Simon und Tochter suchen nun bei uns im Keller Schutz. Ich zelebriere, und wir sind auf alles gefasst. Ein Soldat will zu uns in den Keller, der schon von den Amis gefasst war, ihnen aber wieder durchgebrannt ist. Wir lassen ihn nicht ein. - Es ist ganz ruhig geworden. Wir freuen uns, dass wir bald befreit sein sollen. Aber wir haben uns zu früh gefreut. Gegen 9.30 Uhr rollen auf einmal Panzer von Irsch herbei ins Dorf. Ich bin mit wenigen Sätzen vor der Tür, denn das müssen die Amerikaner sein. Aber sie waren es nicht. Statt dessen sind es deutsche Panier die mit der Infanterie zum Gegenangriff vorgehen. Der Brückenkopf bei Ockfen sollte unter allen Umständen eingedrückt werden. Wie sich später herausstellte waren größere Verbände mit diesem Auftrag nach hier entsandt worden, dar unter auch eine SS-Division die bis Paschel-Baldringen kam und dort noch etwa 14 Tage Widerstand leistete. Wäre sie noch bis nach Ockfen gekommen, hätte es einen weit schwierigeren Kampf gegeben, denn die Amerikaner hatten noch keine schweren Waffen diesseits der Saar, nur Infanterie.

Als ich merkte, das es deutsche Panier waren, die den Ort hinab rollten und etwa in Höhe des Pfarrsaales zu schießen begannen, wußte ich, dass uns noch allerlei bevorstand. Wie die Bewohner der ersten Häuser berichteten, räumten die Amerikaner bei den ersten Panzerschüssen - von denen einer wohl in das Dachgeschoss des Hauses Pütz-Kleutsch ging -kampflos den Ort. Und was nun folgte, lässt sich mit nüchternen Worten nicht wiedergeben. Es begann schlagartig ein Trommelfeuer aus allen Rohren. Am schlimmsten empfanden wir das Hollern der Werfer und der Panzer, die ich noch morgens von meinem Schlafzimmer aus an der "Lampertskehr" sehen konnte. Inzwischen war die ganze andere Saar-Seite völlig vernebelt worden. Die Schießerei wurde unerträglich, dass wir uns kurzerhand entschlossen, abends bei Einbruch der Dunkelheit das Weite zu suchen, d.h. nach "Latzenbach" auszureißen. Wir wollten es aber nicht, ohne die Leute in Wagners Keller benachrichtigt zu haben. Sie wollten bleiben, weil der Pastor blieb. Also konnten wir nicht fort, ohne sie verständigt zu haben.

Was nun folgt klingt wie ein Roman, ist aber harte, rauhe Wirklichkeit. Mitten im Trommelfeuer renne ich (buchstäblich!) zu Wagners und erreiche das Haus, obwohl die Granaten ringsherum einschlagen. Die Leute sind froh, dass ich da bin. Ich bete mit ihnen und spende allen die Generalabsolution. Mein Vorschlag, bei Dunkelheit den Ort zu verlassen, findet allgemeine Billigung. Auch dort wird die Lage als unhaltbar beurteilt. Da kracht es an allen Ecken und Enden. Der kleine Keller ist erfüllt vom Staub des zusammenfallenden Wagnerschen Hauses. Die Kinder schreien, die Mütter jammern. Schnell werden Weinflaschen aufgezogen, jeder nimmt einen Schluck, denn der Staub benimmt uns den Atem. Dann versuchen wir die Kellertür zu öffnen. Sie lässt sich nur mit Gewalt öffnen. Schon vom Keller aus sieht man die Verwüstungen. Die Treppe ins Innere des Hauses ist zugeschüttet also bleibt für mich, der ich wieder zum Pfarrhaus zurück will, nur die Tür zum Garten hin. Die Soldaten raten mir ab, den Keller, der gilt abgestützt war und standgehalten hatte, zu verlassen. Ich aber bin in Unruhe. Ich weiß ja nicht. was im Pfarrhaus inzwischen passiert ist Vielleicht liegt dort auch schon alles am Boden. Ich springe also aus dem Keller und laufe die wenigen Schritte bis zur Treppe, die zur Scheune führt. Da prasseln auch schon Maschinengewehreinschläge in unmittelbarer Nähe. Ich nehme Deckung in den Trümmern zwischen Scheune und Laden, die fast ganz zusammengeschossen sind. Was soll ich tun? Ein Durchkommen scheint unmöglich. Immer noch liegt die Gegend um Kirche und Pfarrhaus im Zentrum des Feuers. - Später klärt es sieh, warum es so war. Beim Hause Peter Kleutsch stand in den letzten Tagen ein deutscher Funkwagen, den die Amis angepeilt hatten. Außerdem saß auf dem Kirchturm ein deutscher Beobachter, der mit uns abgeführt wurde. - Ich sitze da, geduckt wie ein Hase. Endlich wird mir die Sache zu toll. Ich krieche im Schutz eines Bündels Stroh wieder in den Keller zurück. So kann ich wenigstens berichten, wie es oben aussieht. Aber wenn wir fort wollen, und das wollen wir mehr denn je, dann muß ich ins Pfarrhaus zurück. Also noch einmal, diesmal mit mehr Vorsicht den Bund Stroh langsam vorschiebend, ein kurzer Sprung in die Trümmer. Und dann im Laufschritt über die Straße.

Krachend fährt eine Granate in den Pfarrsaal und in das Haus Merten-BenzmüIler. Die Steine fliegen gegen die Pfarrhausmauer. Ich liege automatisch auf dem Bauche und nichts wie weiter. Inzwischen war eine Granate unter dem Kellerfenster des Pfarrhauses eingeschlagen. Etwas höher, und die drei Insassen, die nur durch eine dünne Kellerwand getrennt sind, wären verloren gewesen. Als ich atemlos und schweißbedeckt ankomme, haben sie sich in den Weinkeller geflüchtet, der einen Einsturz eher übersteht, aber wegen der großen Tür wenig Deckung bietet, zumal das vordere Tor schon in Fetzen war. Schnell wird das Allernotwendigste zusammengerafft. Wir können nicht viel mitnehmen. Bei meiner Rückkehr mag es etwa 3 Uhr gewesen sein. Wir waren zeitlos. Wir hatten nur einen Wunsch: heraus, sonst werden wir verschüttet! Der alte Dahm hatte schon gegen 2 Uhr, gerade als ich mich aufmachte, um zu Wagners zu gehen. weil er es nicht mehr in, Keller aushielt, das Weite gesucht. Er war noch glücklich in den Geisberg gekommen.

Mitten in den Vorbereitungen hörte ich draußen plötzlich Geschrei "Hurräh hurräh!" Das Feuer hatte plötzlich aufgehört. Ich renn zum Tor. Tatsächlich die Amerikaner sind da. Bei Wagners steht ein größerer Trupp. Gott sei Dank. Wir sind gerettet. Wenige Minuten später stürmen sie bei uns in den Keller. Sie sehen den Altar aufgebaut und sagen gleich: "Ah Priest!" Ich gehe mit dem Anführer, wohl ein Sergeant durch das Haus. Sie wollen sehen, ob keine deutschen Soldaten da sind. Ich biete ihnen Wein an. Sie trinken, sagen uns dann aber, dass wir fort müßten, raus aus dem Keller. Wir greifen was uns in die Hände kommt, meine Schwester ist in der Schürze, ich in einer alten Arbeitsjoppe, und nun geht es los durchs Dorf. Aus anderen Kellern kommen auch die Leute zum Teil mit erhobenen Händen ohne jedes Gepäck. Meine Hoffnung, wir würden vielleicht in Geberts Keller gebracht bis alles vorüber ist, erweist sich als trügerisch. Es gibt aus dem Dorf heraus, der Saar zu. Nun schießen die deutschen Kanonen. Mehr als einmal ist es brenzlig. Die Brücken über den Panzergraben vor dem Dorf sind gesprengt. Die Amis konnten sie nicht aufhalten, aber wir wissen fast nicht, wie wir hinüberkommen sollen. Die Posten, die uns begleiten sind den alten Leuten behilflich. An der Saar neue Aufregung. Ein deutscher Landser liegt da mit einem Kopfschuss. Ich frage den Posten, ob ich zu ihm darf, er erlaubt es. Der Soldat ist katholisch, aus Bayern. Ich gebe ihm die Absolution und die heilige Ölung in einfacher Form. Dann müssen wir weiter. Nun schießen die Deutschen bis zur Saar. Die Posten weisen uns an, uns an den Bahndamm zu halten. Doch nicht alle Posten sind nett. Meine Schwester hatte sich aus einer Kiste Kerzen, die als Reserve im Keller stand, noch schnell zwei Kerzen auf ihre Handtasche gelegt. Ein Soldat sieht es und zerschlägt die Kerzen. Die nachfolgenden Leute wollen sie aufheben. Er droht ihnen. Sie müssen sie liegenlassen. An der Saar sammeln sich inzwischen einzelne Trupps. Es geht nach Ayl. Soviel wissen wir jetzt. Der alte Benz, der ein Beinleiden hat, kommt mühsam angehumpelt. Seine Schwiegertochter hat den Schlüssel zum Koffer verloren. Derselbe Soldat, der die Kerzen zerschlagen, tritt mit seinen Stiefeln den Koffer auf. Die alte Frau Schuster-Karges wird von zwei Töchtern geführt. Wir warten auf das übersetzen. Endlich werden wir in Booten übergesetzt. Durch den Schlamm des Ufers müssen wir uns zu den Booten schaffen. Dann geht es querfeldein nach Ayl. Alles ist vernebelt. Wir finden uns kaum zurecht. Beschmutzt vom Weg durch die aufgeweichten Felder kommen wir endlich in Ayl an. Die wenige Habe bat uns den Weg lang werden lassen. Beim Ortsbürgermeister Greif ist Halt befohlen. Mit Freuden begrüßen uns die zurückgebliebenen Ayler (etwa 30). In drei Häusern werden unsere Leute untergebracht. Die meisten bleiben bei Greifs, die sich unserer sehr annehmen. Die Leute bekommen Milch oder eine Suppe, die uns vorzüglich schmeckt.

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